Die Idee zum Buch

IN SACHEN RENNER


Viele Autoren versehen ihre Bücher mit tiefschürfenden Deutungen. Beispiele: die Anatomie einer zerbrochenen Ehe, das Problem der Liebe eines alternden Mannes und einer jungen Frau, die Hoffnungslosigkeit der letzten Tage eines Todkranken, der Sieg des Guten über das Böse, manchmal auch – in mutwilliger Verdrehung – der Sieg des Bösen über das Gute. So entsteht gute, manchmal große Literatur.

Meine Ambitionen gehen weniger weit. Ich möchte meine Leser unterhalten und sie für ein paar Stunden in eine fiktive Welt entführen. Der Alltag der meisten Menschen ist anstrengend, der Beruf fordert Höchstleistungen, für die Familie bleibt zu wenig Zeit übrig, die Kinder bereiten Sorgen, kurz:

Der Alltag ist eine ganz grosse Hure.

So beginnt das Buch.

Ich hielt mich beruflich für zwei Tage in Bath auf. Vor der Sitzung am Nachmittag hatte ich Zeit zur freien Verfügung. Die Sonne schien, das Wetter war unenglisch mild, ich schlenderte durch das Städtchen. Die Kathedrale zog mich an. Ich trat ein; es war kühl und roch ein wenig muffig, und ich war der einzige Besucher. Auf der linken Seite sah ich eine ganze Reihe Gedenktafeln, die an die Vergänglichkeit alles Menschlichen erinnerten. Da überfiel mich die Vorstellung – wahrscheinlich als Folge meiner ungezügelten Fantasie – , wie es wäre, wenn ich hier meiner eigenen Tafel begegnete. Der Gedanke liess mich nicht mehr los, ich setzte mich auf eine Bank und fing an zu spekulieren. Die Idee zum Buch war geboren.

Zurück in Basel entwickelte ich die ersten Umrisse einer Geschichte. Bald war klar, dass es um Identität ging – verlorene, verwechselte, gefälschte Identität? Die Hauptfigur musste ein Durchschnittsmensch sein, ein gewissenhafter Eidgenosse, der seinen Alltag meistert, bis eben das Schicksal zuschlägt und ihm den Boden unter den Füssen wegzieht. Ein tüchtiger Beamter schien diesem Profil am ehesten zu entsprechen.

Die ersten paar Seiten waren rasch geschrieben. Dann musste die eigentliche Geschichte entwickelt werden. Der Name Arthur Renner stellte sich bald ein. Warum aber die Gedenktafel? Ein makabrer Scherz? Oder war die Tafel richtig – dann war Arthur Renner tot. Wer aber besuchte dann die Kirche in Bath? Es war eine Detektivarbeit, während der sich ein Mosaiksteinchen ans andere reihte, bis sich das Gewirr der Identitäten endlich auflöste und Arthur Renner seine wohlverdiente Ruhe fand ...

Ich habe zu danken: Zunächst Werner Löcher, dem Lektor, der das Manuskript für die Erstveröffentlichung bei der Deutschen Verlags-Anstalt umsichtig lektoriert hat. Mein Freund Janusz Majewski, erfolgreicher polnischer Regisseur, und meine Agentin Alexandra Markiewicz haben das Buch dem Verlag Muza SA in Warschau zur Veröffentlichung in Polen vermittelt. Ich fühle mich beiden für ihr Engagement verpflichtet. Dank gebührt schließlich dem motivierten Team des Frieling-Verlags in Berlin, das äußerst grosszügig auf meine Wünsche zur Gestaltung der Neuausgabe eingegangen ist.